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Kleine Zeitung - Nov. 14, 2001 Eine Mahnung für die Ewigkeit
VICTOR KLEMPERERS REISE DURCH DIE HöLLE GEHT DURCH MARK UND BEIN.
[English translation is forthcoming.]
Hurtig, mit leicht gebückter Haltung, eilt er auf die Probebühne im Grazer Schauspielhaus. Gealtert, aber noch wie ein Wiesel – flink im Denken, konservativ in der Richtung: "Ich bin Deutscher... Ich warte auf die Rückkehr der Deutschen." Dann hält George Bartenieff, einer der Granden des New Yorker Theaters, ganz kurz inne und hängt bedächtig seinen Hut an den Kleiderständer in der kargen, nur mit ein paar Bücherstapeln, Tisch, Stuhl und Truhe ausgestatteten Lebenszelle, deren einziger Freiraum die geistige Sphäre ist.
"Ich will Zeugnis ablegen bis zum Letzten", hat Victor Klemperer geschworen und mit seinen 1995 erschienen Tagebüchern aus den Jahren 1933 bis 1945 das wohl beklemmendste Zeitzeugnis eines Gutgläubigen im Nazi-Barbarenreich hinterlassen. Die ARD hat die Tagebücher von 1933 1945 mit Mathias Habich als Victor Klemperer verfilmt (der MRD strahlt derzeit eine Wiederholung der Serie aus).
Auf der Bühne haucht George Bartenieff, der 1939 als Sechsjähriger aus Deutschland fliehen musste, im Solo "I will bear witness" dem fatalen Leben ein. Die Uraufführung der englischen Tagebuchübersetzung in New York brachte ihm den OBIE für die beste Off-Broadway-Performance ein. Das jüdische Theater Austria hat den begnadeten Charakterdarsteller im Rahmen des Festivals "Ohne Begleitung" nach Österreich geholt. Mit dem kafkaesken Solo "Eine alltägliche Verwirrung" von Dagmar Schwarz heute in der Synagoge Graz (19.30) sät das außergewöhnliche Festival einen weiteren Samen für Begegnung und Verständigung.
Elisabeth Willgruber-Spitz
© 2001 Kleine Zeitung Graz
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