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CeiberWeiber - May 11, 2005Braucht Österreich eine lebende Jüdische Kultur? BERICHT VON EINER VERANSTALTUNG[English translation is forthcoming.] Laut einer Einladung, die kurzfristig verschickt wurde und die wir auch veröffentlicht haben, sollte am 11. Mai in der Kunsthalle am Wiener Karlsplatz über jüdische Kultur und deren Förderung diskutiert werden. Offenbar war dies auch den meisten der Eingeladenen zu knapp, da nur Arik Brauer, Erwin Strahl und Peter Michael Lingens tatsächlich erschienen sind. Ausgegangen ist die Initiative vom "Jüdischen Theater Austria", das bislang offenbar über kein eigenes Haus verfügt, jedenfalls nicht über das gewünschte Haus am Nestroyplatz. Dort steht ein ehemaliges jüdisches Theater, das nach wie vor im Besitz jener Familie ist, die es einst "arisiert" hatte. Hakenkreuzschmierereien werden trotz Zusicherungen auch an JournalistInnen nicht entfernt (anscheinend wissen die "Ewiggestrigen" besser Bescheid über jenes Haus aus die meisten anderen WienerInnen). Die Veranstaltung am 11. Mai schien nun dem Zweck zu dienen, Lobbying für einen spezifischen Aspekt jüdischer Kultur zu betreiben, nämlich dem Jüdischen Theater Wien Unterstützung beim Kampf um das Haus am Nestroyplatz zu verschaffen. Sowohl Publikum wie kleines Podium waren sich uneinig, ob ein jüdisches Theater unbedingt zu einer lebendigen jüdischen Kultur gehören muss. Manche Städte in Osteuropa, wo die Nazis und ihre HelferInnen fast ganze Arbeit leisteten beim Vernichtungsfeldzug gegen die jüdische Bevölkerung, haben nun Theater, wo ein oder zwei jüdische SchauspielerInnen neben vielen nichtjüdischen jiddisch für Nichtjuden spielen. Dem gegenüber steht Theater etwa in den USA oder in Israel, wo in der im Land gesprochenen Sprache Zeitgenössisches gespielt wird. Eingangs las Warren Rosenzweig, Direktor des Jüdischen Theaters Austria, aus einem Brief von Theaterautor Abisch Meisels vor, der nach Grossbritannien emigrierte und 1955 noch einmal nach Wien zurückkam, um nach SchauspielerInnen zu suchen. Er fand kaum eine der einst bestehenden jüdischen Einrichtungen vor und von so vielen Menschen, die er kannte, waren nur sechs als Überlebende nach Wien zurückgekehrt. Zwar bestand eine Kultusgemeinde mit etwa 10.000 Personen, doch sei diese in der Wiener Bevölkerung rumdum verhasst. Alles, was er einst in Wien schätzte, ist nach Auskunft der Zurückgekehrten "nicht mehr hier". Damals war bereits entschieden, die enteigneten EigentümerInnen des Nestroyhofs, die Kinder von Anna Stein (Aranka Rosenzweig, Melanie Arend, Leontine Goldschmidt, Michael Goldschmidt) mit der stolzen Summe von 3.500 Schilling abzuspeisen (inflationsbereinigt wären es heute 1.670 Euro). Die Ariseure, eine Familie Polsterer, verloren zunächst 1950 vor Gericht, doch ein Jahr später wurde die Arisierung gewissermassen legalisiert, indem den Polsterers aufgetragen wurde, noch besagte 3.500 Schilling an die eigentlichen Eigentümer zu bezahlen. Der Nestroyhof gehört wie die Adressen Windmühlgasse 30 und 32, Schottenfeldgasse 65, Lerchengasse 3-5 und Hamburgerstrasse 20 ("Rüdigerhof") zu den Jugendstilbauten des aus Galizien stammenden jüdischen Architekten Oskar Marmorek. Der Nestroyhof entstand 1898 und war bis 1938 unter wechselnden Namen Theater: "Theater Reklame", "Intimes Theater", "Klein-Kunst-Spiele" mit einerseits eigenen Produktionen in Deutsch, Jiddisch und anderen Sprachen, andererseits auch Gastspielen internationaler Ensembles. Jene, die nicht kommen konnten, ließen durch schriftliche Statements grüssen wie Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, der die Entwicklung eines Jüdischen Theaters "mit großem Interesse" verfolge. Georg Springer von den Bundestheatern lobte das "Jüdische als fruchtbarer Teil des österreichischen Geistes" und meinte außerdem: "Der Verantwortung kann, will und muss sich jeder stellen", was wohl bedeutet, dass sein alter ego am unsäglich peinlichen geschichtsklittenden Projekt "25 peaces" beteiligt ist, wo Opfer nicht vorkommen. Andererseits gibt es eben auch in der Kulturszene Menschen, die alles unterschreiben, solange es unverbindlich bleibt und kein kongruentes Handeln verlangt wird. Peter Turrini ließ u.a. mit der Anmerkung grüßen, dass es nie eine österreichische Kultur ohne die jüdische Kultur gegeben habe. Sandra Kreisler stellte fest, dass gerade heuer gerne Krokodilstränen über Verlorenes (Vernichtetes) vergossen werden, aber "nur die stollen, braven, angepassten oder besser noch: toten Juden unterstützt werden". Herrmann Nitsch meinte zu guter Letzt, dass wir unser kulturelles Erbe pflegen sollten, wozu die kulturellen Wurzeln aller Bevölkerungsgruppen gehören. Der Maler und Sänger Arik Brauer (überlebte die NS-Zeit als U-Boot in Wien) war am 11.5. persönlich anwesend und meinte, ein jüdisches Theater wäre natürlich wunderbar, doch kein Theater soll nur deswegen existieren dürfen, weil es jüdisch ist. Schlecht wäre auch, wenn es nur mit Subventionen überhaupt bestehen kann. Wenig kann Brauer mit einer Vorstellung anfangen, dass dort all die Stücke aus den zwanziger Jahren zum Besten gegeben werden, die einstmals in jüdischen Theatern aufgeführt werden. Wobei das damalige kulturelle Leben in Deutschland und Österreich dadurch bereichert wurde, dass Juden aus Osteuropa mit ihrer Kultur kamen und so Denkanstöße mitbrachten. Neues und Kreatives entstehe immer dann, wenn sich Kulturen vermischen, was jetzt jedoch nicht durch jüdische Zuwanderung der Fall ist, sondern beispielsweise durch Zuwanderung von TürkInnen. Spezifisch jüdische Kultur zeigt das orthodoxe Milieu, das aber nicht kreativ sei. Der Schauspieler Erwin Strahl, dessen Name mir erstmal nichts sagte, wird bei heiteres.at als Mann beschreiben, der zu autoritärem Verhalten steht. Er ist laut Google-Suche bekannt für Nachkriegsfilme, unterschreibt heute auch vieles vom Tierschutz bis zum Denkmalschutz und wird im Web als Büffetprofi gemeinsam mit Gattin Waltraud Haas dargestellt. Wer Seitenblicke-tauglich ist, muss deswegen noch nicht unpolitisch sein, aber Strahls Aussagen waren merkwürdig bis bedenklich. Er schlug vor, dass man im "ganz normalen Spielplan" eines ganz normalen Theaters "Jüdisches" gewissermassen reinschummelt, offenbar um das Publikum zu gewöhnen. Zuerst gemischtes Programm, dann Sondervorstellungen - und anscheinend dann, wenn das zwangsläufig meist "nichtjüdische" Publikum dran gewöhnt ist, zum jüdischen Theater übergehen. Hinsichtlich der SchauspielerInnen schlug er allen Ernstes (und ohne Aufschrei!) vor, "jüdische und arische Schauspieler gemischt" auftreten zu lassen. Allerdings meinte später ein älterer Mann im Publikum, der offenbar - aus seinen Worten zu schliessen - Jude ist, es gäbe in Wien doch über die 10.000 Mitglieder der Kultusgemeinde hinaus "viele Menschen mit jüdischem Blut". Strahls arische Abschweifung war nicht das Einzige, denn dann kam, dass man den "verbliebenen Juden die Chance" geben solle, "sich zu integrieren", sozusagen als großzügige Herrschergeste der Mehrheitskultur, zu der auch die Nachkommen der einstigen Judenverfolger gehören. Das wäre noch nicht so schlimm, sehen es doch viele so oder formulieren es unbedacht (entlarvend?) auf diese Weise. Aber er beschrieb die Vernichtung von zwei Drittel der europäischen Juden beziehungsweise jene, die überlebten, als "die dem Chaos entkommen sind". Chaos mag es gegeben haben für die Hitler-Anhänger, die bis zu letzt an einen "Sieg" glaubten, als dann selbstverschuldet in Trümmern lag, aber für andere war es wohl eher die Hölle als das Chaos. Zwischen der Hölle der immer um ihr Leben fürchtenden eingesperrten U-Boote und jener in Auschwitz gab es sicher Unterschiede, aber auch Arik Brauer wird damals gelitten haben - anders als der gleichaltrige nichtjüdische ("arische"?) Erwin Strahl... Der Journalist Peter Michael Lingens, dessen Mutter als couragierte Gegnerin der Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert wurde und überlebte, stimmt Arik Brauer im Wesentlichen zu und meint, es habe jüdische Kultur gegeben, weil es viele Juden in Wien gab. Ob unter 10.000 Personen ähnliches intellektuelles Potential ist wie unter 200.000, wagt er zu bezweifeln. Seiner Ansicht nach müsse eine Initiative der jüdischen Gemeinde in Wien am Beginn eines solchen Theaters stehen, dann könne auch die Stadt es nicht ablehnen. Für Arik Brauer ist es die "sicherste Methode, ein jüdisches Theater zu verhindern, es der Kultusgemeinde zu übergeben". Als eine Besucherin meint, es sei immer schwerer, auch für bestehende Theater Subventionen zu erhalten, wenn man kein Freund des Wiener Bürgermeisters sei, bietet Lingens an, mit diesem zu reden, da er ihn persönlich kennt. Auch wenn es offenbar darum ging, genug Lobbying für ein spezifisches Theaterprojekt auf die Beine zu stellen, ließen die Statements doch immer wieder das eigentliche Thema der jüdischen Kultur allgemein durchklingen. Aus "schlechtem Gewissen" würden viele diese fördern wollen, was kein ausreichendes Motiv ist, aber wohl pragmatisch gesehen werden muss, da ja den Kulturschaffenden immer noch überlassen bleibt, was sie (gefördert) tun. Vage sind Vorstellungen von einem "jüdischen Geist", mit dem manche rein gar nichts anfangen können. Ob Zentren für jüdische Kultur in Osteuropa als Vorbild dienen können, in denen Nichtjuden archivieren, sammeln, aufbereiten, durch Projekte zum Nachdenken anregen, ist auch fraglich. Bei einer solchen Schilderung muss ich an Helen Epsteins Schilderungen von Museumsbesuchen in Tschechien in "Dreifach heimatlos" denken, wo sie auf den Spuren ihrer Mutter und Grossmutter wandert. Auch da hüten Nichtjuden das Erbe der Vertriebenen und Ausgelöschten, und Epstein kommt es vor wie Museen über ausgerottete Indianerstämme in den USA. Das Argument einer Konfrontation von Nichtjuden, von Nachkommen der Nazis, der Mitläufer, derer, die nichts sehen wollten, oder die in eigenen Leiden unter den Besetzern nicht das viel größere Leid der Juden wahrgenommen haben, das hat schon etwas für sich. Allerdings stehen dann diese Menschen im Mittelpunkt, wo sich doch nicht immer und überall alles um sie drehen kann. Und was jüdische Kultur im Sinne kultureller Produktion von Juden betrifft, so heisst es, dass manche Angst hätten, sich als Juden zu deklarieren. Manchmal ist es aber auch einfach Nichtwissen (Desinteresse?), etwa als Peter Michael Lingens meint, es gäbe keinen jüdischen Stückeschreiber in Österreich. "Elfriede Jelinek!" kontern gerade einige Frauen entschieden. Ausserdem, werfen manche ein, gibt es auch international eine Menge an Werken zu "jüdischen Themen", die aufgeführt werden könnten. Beklemmung angesichts der österreichischen Mehrheitskultur? Durchaus verständlich, wenngleich die Art und Weise offiziellen auch kulturellen Gedenkens konkret kritisiert werden sollte. Komisch, dass sich niemand etwas ausdenkt, wie offizielle Inszenierungen mit wenig Aufwand umfunktioniert werden können (warum steckt niemand Abbilder von Grabsteinen in die Gemüsegärten am Heldenplatz?). Ist eine gewisse Ängstlichkeit angebracht und verständlich, oder ist sie zu Angstlich-sein? "Jüdische Themen", zu denen auch die Shoa gehört und das Leben danach, kommen jedenfalls nicht vor, wenn sie nicht eingefordert werden. Bei vielem, was von der WIR-Seite der MehrheitsösterreicherInnen kommt, kann ich jedenfalls nur den Kopf schütteln. Beispielsweise über den gut gemeinten Versuch von "pro frau", der Frauen zu gedenken. Von Vergewaltigungen und Selbstmorden ist da die Rede, nicht aber von Verfolgung und Vernichtung, offenbar kein Frauenschicksal. Laut einer Einladung, die kurzfristig verschickt wurde und die wir auch veröffentlicht haben, sollte am 11. Mai in der Kunsthalle am Wiener Karlsplatz über jüdische Kultur und deren Förderung diskutiert werden. Offenbar war dies auch den meisten der Eingeladenen zu knapp, da nur Arik Brauer, Erwin Strahl und Peter Michael Lingens tatsächlich erschienen sind. Ausgegangen ist die Initiative vom "Jüdischen Theater Austria", das bislang offenbar über kein eigenes Haus verfügt, jedenfalls nicht über das gewünschte Haus am Nestroyplatz. Dort steht ein ehemaliges jüdisches Theater, das nach wie vor im Besitz jener Familie ist, die es einst "arisiert" hatte. Hakenkreuzschmierereien werden trotz Zusicherungen auch an JournalistInnen nicht entfernt (anscheinend wissen die "Ewiggestrigen" besser Bescheid über jenes Haus aus die meisten anderen WienerInnen). Die Veranstaltung am 11. Mai schien nun dem Zweck zu dienen, Lobbying für einen spezifischen Aspekt jüdischer Kultur zu betreiben, nämlich dem Jüdischen Theater Wien Unterstützung beim Kampf um das Haus am Nestroyplatz zu verschaffen. Sowohl Publikum wie kleines Podium waren sich uneinig, ob ein jüdisches Theater unbedingt zu einer lebendigen jüdischen Kultur gehören muss. Manche Städte in Osteuropa, wo die Nazis und ihre HelferInnen fast ganze Arbeit leisteten beim Vernichtungsfeldzug gegen die jüdische Bevölkerung, haben nun Theater, wo ein oder zwei jüdische SchauspielerInnen neben vielen nichtjüdischen jiddisch für Nichtjuden spielen. Dem gegenüber steht Theater etwa in den USA oder in Israel, wo in der im Land gesprochenen Sprache Zeitgenössisches gespielt wird. Eingangs las Warren Rosenzweig, Direktor des Jüdischen Theaters Austria, aus einem Brief von Theaterautor Abisch Meisels vor, der nach Grossbritannien emigrierte und 1955 noch einmal nach Wien zurückkam, um nach SchauspielerInnen zu suchen. Er fand kaum eine der einst bestehenden jüdischen Einrichtungen vor und von so vielen Menschen, die er kannte, waren nur sechs als Überlebende nach Wien zurückgekehrt. Zwar bestand eine Kultusgemeinde mit etwa 10.000 Personen, doch sei diese in der Wiener Bevölkerung rumdum verhasst. Alles, was er einst in Wien schätzte, ist nach Auskunft der Zurückgekehrten "nicht mehr hier". Damals war bereits entschieden, dass die enteigneten EigentümerInnen des Nestroyhofs, die Kinder von Anna Stein (Aranka Rosenzweig, Melanie Arend, Leontine Goldschmidt, Michael Goldschmidt) mit der stolzen Summe von 3.500 Schilling abzuspeisen (inflationsbereinigt wären es heute 1.670 Euro). Die Ariseure, eine Familie Polsterer, verloren zunächst 1950 vor Gericht, doch ein Jahr später wurde die Arisierung gewissermassen legalisiert, indem den Polsterers aufgetragen wurde, noch besagte 3.500 Schilling an die eigentlichen Eigentümer zu bezahlen. Der Nestroyhof gehört wie die Adressen Windmühlgasse 30 und 32, Schottenfeldgasse 65, Lerchengasse 3-5 und Hamburgerstrasse 20 ("Rüdigerhof") zu den Jugendstilbauten des aus Galizien stammenden jüdischen Architekten Oskar Marmorek. Der Nestroyhof entstand 1898 und war bis 1938 unter wechselnden Namen Theater: "Theater Reklame", "Intimes Theater", "Klein-Kunst-Spiele" mit einerseits eigenen Produktionen in Deutsch, Jiddisch und anderen Sprachen, andererseits auch Gastspielen internationaler Ensembles. Jene, die nicht kommen konnten, liessen durch schriftliche Statements grüssen wie Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, der die Entwicklung eines Jüdischen Theaters "mit grossem Interesse" verfolge. Georg Springer von den Bundestheatern lobte das "Jüdische als fruchtbarer Teil des österreichischen Geistes" und meinte ausserdem: "Der Verantwortung kann, will und muss sich jeder stellen", was wohl bedeutet, dass sein alter ego am unsäglich peinlichen geschichtsklittenden Projekt "25 peaces" beteiligt ist, wo Opfer nicht vorkommen. Andererseits gibt es eben auch in der Kulturszene Menschen, die alles unterschreiben, solange es unverbindlich bleibt und kein kongruentes Handeln verlangt wird. Peter Turrini ließ u.a. mit der Anmerkung grüssen, dass es nie eine österreichische Kultur ohne die jüdische Kultur gegeben habe. Sandra Kreisler stellte fest, dass gerade heuer gerne Krokodilstränen über Verlorenes (Vernichtetes) vergossen werden, aber "nur die stollen, braven, angepassten oder besser noch: toten Juden unterstützt werden". Herrmann Nitsch meinte zu guter Letzt, dass wir unser kulturelles Erbe pflegen sollten, wozu die kulturellen Wurzeln aller Bevölkerungsgruppen gehören. Der Maler und Sänger Arik Brauer (überlebte die NS-Zeit als U-Boot in Wien) war am 11.5. persönlich anwesend und meinte, ein jüdisches Theater wäre natürlich wunderbar, doch kein Theater soll nur deswegen existieren dürfen, weil es jüdisch ist. Schlecht wäre auch, wenn sie nur mit Subventionen überhaupt bestehen kann. Wenig kann Brauer mit einer Vorstellung anfangen, dass dort all die Stücke aus den zwanziger Jahren zum Besten gegeben werden, die einstmals in jüdischen Theatern aufgeführt werden. Wobei das damalige kulturelle Leben in Deutschland und Österreich dadurch bereichert wurde, dass Juden aus Osteuropa mit ihrer Kultur kamen und so Denkanstösse mitbrachten. Neues und Kreatives entstehe immer dann, wenn sich Kulturen vermischen, was jetzt jedoch nicht durch jüdische Zuwanderung der Fall ist, sondern beispielsweise durch Zuwanderung von TürkInnen. Spezifisch jüdische Kultur zeigt das orthodoxe Milieu, das aber nicht kreativ sei. Der Schauspieler Erwin Strahl, dessen Name mir erstmal nichts sagte, wird bei heiteres.at als Mann beschreiben, der zu autoritärem Verhalten steht. Er ist laut Google-Suche bekannt für Nachkriegsfilme, unterschreibt heute auch vieles vom Tierschutz bis zum Denkmalschutz und wird im Web als Büffetprofi gemeinsam mit Gattin Waltraud Haas dargestellt. Wer seitenblicke-tauglich ist, muss deswegen noch nicht unpolitisch sein, aber Strahls Aussagen waren merkwürdig bis bedenklich. Er schlug vor, dass man im "ganz normalen Spielplan" eines ganz normalen Theaters "Jüdisches" gewissermassen reinschummelt, offenbar um das Publikum zu gewöhnen. Zuerst gemischtes Programm, dann Sondervorstellungen - und anscheinend dann, wenn das zwangsläufig meist "nichtjüdische" Publikum dran gewöhnt ist, zum jüdischen Theater übergehen. Hinsichtlich der SchauspielerInnen schlug er allen Ernstes (und ohne Aufschrei!) vor, "jüdische und arische Schauspieler gemischt" auftreten zu lassen. Allerdings meinte später ein älterer Mann im Publikum, der offenbar - aus seinen Worten zu schliessen - Jude ist, es gäbe in Wien doch über die 10.000 Mitglieder der Kultusgemeinde hinaus "viele Menschen mit jüdischem Blut". Strahls arische Abschweifung war nicht das Einzige, denn dann kam, dass man den "verbliebenen Juden die Chance" geben solle, "sich zu integrieren", sozusagen als grosszügige Herrschergeste der Mehrheitskultur, zu der auch die Nachkommen der einstigen Judenverfolger gehören. Das wäre noch nicht so schlimm, sehen es doch viele so oder formulieren es unbedacht (entlarvend?) auf diese Weise. Aber er beschrieb die Vernichtung von zwei Drittel der europäischen Juden beziehungsweise jene, die überlebten, als "die dem Chaos entkommen sind". Chaos mag es gegeben haben für die Hitler-Anhänger, die bis zu letzt an einen "Sieg" glaubten, als dann selbstverschuldet in Trümmern lag, aber für andere war es wohl eher die Hölle als das Chaos. Zwischen der Hölle der immer um ihr Leben fürchtenden eingesperrten U-Boote und jener in Auschwitz gab es sicher Unterschiede, aber auch Arik Brauer wird damals gelitten haben - anders als der gleichaltrige nichtjüdische ("arische"?) Erwin Strahl... Der Journalist Peter Michael Lingens, dessen Mutter als couragierte Gegnerin der Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert wurde und überlebte, stimmt Arik Brauer im Wesentlichen zu und meint, es habe jüdische Kultur gegeben, weil es viele Juden in Wien gab. Ob unter 10.000 Personen ähnliches intellektuelles Potential ist wie unter 200.000, wagt er zu bezweifeln. Seiner Ansicht nach müsse eine Initiative der jüdischen Gemeinde in Wien am Beginn eines solchen Theaters stehen, dann könne auch die Stadt es nicht ablehnen. Für Arik Brauer ist es die "sicherste Methode, ein jüdisches Theater zu verhindern, es der Kultusgemeinde zu übergeben". Als eine Besucherin meint, es sei immer schwerer, auch für bestehende Theater Subventionen zu erhalten, wenn man kein Freund des Wiener Bürgermeisters sei, bietet Lingens an, mit diesem zu reden, da er ihn persönlich kennt. Auch wenn es offenbar darum ging, genug Lobbying für ein spezifisches Theaterprojekt auf die Beine zu stellen, ließen die Statements doch immer wieder das eigentliche Thema der jüdischen Kultur allgemein durchklingen. Aus "schlechtem Gewissen" würden viele diese fördern wollen, was kein ausreichendes Motiv ist, aber wohl pragmatisch gesehen werden muss, da ja den Kulturschaffenden immer noch überlassen bleibt, was sie (gefördert) tun. Vage sind Vorstellungen von einem "jüdischen Geist", mit dem manche rein gar nichts anfangen können. Ob Zentren für jüdische Kultur in Osteuropa als Vorbild dienen können, in denen Nichtjuden archivieren, sammeln, aufbereiten, durch Projekte zum Nachdenken anregen, ist auch fraglich. Bei einer solchen Schilderung muss ich an Helen Epsteins Schilderungen von Museumsbesuchen in Tschechien in "Dreifach heimatlos" denken, wo sie auf den Spuren ihrer Mutter und Grossmutter wandert. Auch da hüten Nichtjuden das Erbe der Vertriebenen und Ausgelöschten, und Epstein kommt es vor wie Museen über ausgerottete Indianerstämme in den USA. Das Argument einer Konfrontation von Nichtjuden, von Nachkommen der Nazis, der Mitläufer, derer, die nichts sehen wollten, oder die in eigenen Leiden unter den Besetzern nicht das viel grössere Leid der Juden wahrgenommen haben, das hat schon etwas für sich. Allerdings stehen dann diese Menschen im Mittelpunkt, wo sich doch nicht immer und überall alles um sie drehen kann. Und was jüdische Kultur im Sinne kultureller Produktion von Juden betrifft, so heisst es, dass manche Angst hätten, sich als Juden zu deklarieren. Manchmal ist es aber auch einfach Nichtwissen (Desinteresse?), etwa als Peter Michael Lingens meint, es gäbe keinen jüdischen Stückeschreiber in Österreich. "Elfriede Jelinek!" kontern gerade einige Frauen entschieden. Ausserdem, werfen manche ein, gibt es auch international eine Menge an Werken zu "jüdischen Themen", die aufgeführt werden könnten. Beklemmung angesichts der österreichischen Mehrheitskultur? Durchaus verständlich, wenngleich die Art und Weise offiziellen auch kulturellen Gedenkens konkret kritisiert werden sollte. Komisch, dass sich niemand etwas ausdenkt, wie offizielle Inszenierungen mit wenig Aufwand umfunktioniert werden können (warum steckt niemand Abbilder von Grabsteinen in die Gemüsegärten am Heldenplatz?). Ist eine gewisse Ängstlichkeit angebracht und verständlich, oder ist sie zu Angstlich-sein? "Jüdische Themen", zu denen auch die Shoa gehört und das Leben danach, kommen jedenfalls nicht vor, wenn sie nicht eingefordert werden. Bei vielem, was von der WIR-Seite der MehrheitsösterreicherInnen kommt, kann ich jedenfalls nur den Kopf schütteln. Beispielsweise über den gut gemeinten Versuch von "pro frau", der Frauen zu gedenken. Von Vergewaltigungen und Selbstmorden ist da die Rede, nicht aber von Verfolgung und Vernichtung, offenbar kein Frauenschicksal. - Alexandra Bader Copyright © 2005 CeiberWeiber - Frauen Onlinemagazin |
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